Der parsmedia-Newsletter informiert regelmäßig zu aktuellen Themen des Praxismarketings, der Medien und der Patienten-Kommunikation.
Die Zahnarztpraxis in Corona-Zeiten: Tipps und Informationen von Rechtsanwalt Jens Pätzold
Es gibt viele Fragen, die sich Zahnärztinnen und Zahnärzte jetzt stellen. Was macht die Corona-Krise mit mir und mit der Zukunft meiner Praxis? In unserem neuen Online-Format webDOtalk haben wir mit Rechtsanwalt Jens Pätzold gesprochen. Hier findet Ihr jede Menge Tipps, Informationen und Anregungen, für einen möglichen Weg aus der Krise.
Gerade keine Zeit den kompletten Text zu lesen? Dann findet Ihr hier die Links zu den einzelnen Themen im Artikel:
- webDOTalk - die Erste
- Das ist Jens Pätzold
- webDOtalk mit Jens Pätzold
- Kurzarbeit in der Zahnarztpraxis
- Subventionsbetrug ist möglich
- Alternativen zur Kurzarbeit
- Das Team einbinden
- Medizinisch notwendige Behandlungen
- Perspektive: Videosprechstunde
- Potenzial der Videosprechstunde
- Fazit und Ausblick
- Artikel von Lyck + Pätzold
- webDOtalk Vorschau
webDOTalk - das parsmedia Podcast-Webinar mit Klaus und Rechtsanwalt Jens Pätzold
webDOTalk – das parsmedia Podcast-Webinar am Donnerstag – so haben wir unser neues Format genannt. Klaus präsentiert in dieser Mischung aus Webinar und Podcast aktuelle Themen und Menschen, die etwas zu sagen haben.
Wir planen erst einmal einen 14-tägigen Rhythmus und schauen, wie sich alles entwickelt. Wir freuen uns, wenn Ihr in Kürze auch einmal mit dabei seid.
Mit Rechtsanwalt Jens Pätzold haben wir uns über eine Stunde lang glänzend unterhalten. Und noch viel wichtiger: Unsere Teilnehmer*Innen erhielten Tipps und Informationen zu vielen aktuellen Fragen in der Corona-Krise.
Die Themen:
- Chancen und Risiken der Kurzarbeit
- Behandlungsoptionen für Zahnärzte
- Möglichkeiten der Videosprechstunde
Wir stellen Euch unseren Gast vor: Jens Pätzold
➡️ Jens Pätzold von der Kanzlei Lyck+Pätzold. healthcare.recht hat sich auf das Medizinrecht, als ein Spezialgebiet des Wirtschaftsrechts konzentriert und betreut nationale und internationale Healthcare-Unternehmen. (Zahn-)Arztpraxen berät er bundesweit bei der strategischen und rechtlichen Optimierung.
Dazu gehört auch die gesellschaftsrechtliche Gestaltung von Praxis- und Kooperationsverträgen – von der Berufsausübungsgemeinschaft bis hin zum MVZ.
Jens Pätzold unterhält zusammen mit seinem kongenialen Kumpel Chris als die Business Monkeys im gleichnamigen Podcast. Hier gehen sie den Geheimnissen des Erfolgs auf ganz besondere Art und Weise auf den Grund. Hört doch mal rein und Ihr erfahrt, warum es heißt: #machenistmächtiger
Wir haben das gesamte Webinar aufgezeichnet. Ihr findet hier eine sinngemäße Abschrift der Audiodatei mit notwendigen, sprachlichen und grammatischen Korrekturen und Kürzungen.
webDOtalk: Die Zahnarztpraxis in der Corona-Krise
Hallo Jens, schön, dass Du Zeit für uns hast. Wie erlebst Du die Zeit mit Corona aktuell?
Es ist schon eine verrückte Zeit, in der wir sind. Ich würde mal sagen: Die letzten 20 Jahre – wahrscheinlich die letzten 40 Jahre – hat sich kein Mensch mit Kurzarbeit im Gesundheitswesen beschäftigt. Das ist ein Thema, was einem völlig fremd war. Im Moment kenne ich keine Praxis, die keine Kurzarbeit beantragt hat. Wirklich nahezu flächendeckend ist das ja im März schon in den Praxen passiert. Ich habe den Eindruck, dass die meisten sich da schon sehr gut aufgestellt haben und am Anfang auch wahrscheinlich ein Stück weit aus der Panik heraus gehandelt haben.
Mittlerweile sehen sie das aber auch ein bisschen gelassener. Da hat sich die Situation etwas beruhigt.
Ich glaube, die Panik war auch gerade durch das Internet getrieben. Manchmal ist besser, man schaut ein bisschen weniger ins Internet und weniger Nachrichten, dann ist das alles entspannter zu ertragen. Letztlich war auch das Problem: Wie viele plötzlich zum Thema Kurzarbeit geschrieben haben? Ich war da ganz überrascht, dass jeder Experte zur Kurzarbeit war. Also Leute, die jetzt von rechtlicher Beratung so gar keine Ahnung haben, waren plötzlich Kurzarbeitsexperten. Ich glaube gerade diejenigen, die sich da plötzlich sich hervorgetan haben und meinten, sie sind zum Thema gut informiert, haben zur Panik beigetragen.
Im Grunde ist Kurzarbeit ein probates Mittel, um jetzt Arbeitsausfall aufzufangen, ohne dass man Mitarbeiter entlassen muss. Eins ist klar, es kommt auch eine Zeit, nach der Krise und da darf es nicht sein, dass wir uns wieder mit Personal-Recruitment beschäftigen müssen. Dafür ist der Gesundheitsmarkt zu eng aufgestellt, was das Personal angeht. Also geht es darum, das Team, das wir jetzt haben, natürlich zu halten. Auch in Zeiten, in denen Praxen möglicherweise mit erheblichen Umsatzausfällen zu arbeiten haben.
Welche Ideen, Tipps, Ratschläge hast Du zum Thema Kurzarbeit für unsere Praxen?
Ich will an der Stelle gar nicht zu juristisch werden und die Grundzüge des Kurzarbeitergeldes darstellen. Ich denke, die meisten, die jetzt zuhören, haben es sicher schon beantragt. Auf zwei Dinge möchte ich aber hinweisen.
Ich lese auch in diesen einschlägigen Foren wie der Facebook-Gruppe “Dentalfamilie” und in anderen Social Media-Kanälen. Wenn dann Fragen aus der einen oder anderen Praxis kommen wie “Ich sollte hier ein Formular zur Kurzarbeit unterschreiben, aber wir machen gar keine Kurzarbeit”, dann gehen bei mir schon alle Alarmlampen an. Wenn es um das Thema Kurzarbeit geht oder auch um die Zuschüsse, die der Bund und die Länder für kleine und mittelständische Unternehmen zur Verfügung gestellt haben, dann muss ich natürlich darauf achten, dass ich die Anträge korrekt ausfülle.
Bei der Kurzarbeit gehört beispielsweise auch dazu, dass ich den Entgeltausfall, also die Reduzierung der Arbeitszeit, belegen kann. Dazu benötige ich vernünftige Arbeitszeitkonten in der Praxis am besten schon vor der Kurzarbeit, auf jeden Fall nach Einführung der Kurzarbeit.
Wir dürfen ja davon ausgehen, dass im Laufe dieses Jahres auch unser Staat in irgendeiner Form an seine Leistungsgrenze gerät, bei all dem, was gerade zu schultern ist. Wir haben das nach der Finanzkrise schon erlebt, als enorm viele Betriebe Kurzarbeit beantragt hatten. Alles wurde kurzfristig genehmigt, aber nach einem halben Jahr oder nach einem Jahr gingen sporadisch dann die Prüfungen los und es wurde gefragt: “Ist denn die Genehmigung dieser Zuschüsse und dieser Förderung auch korrekt gewesen?”
Achtung Subventionsbetrug: Wer hier Fehler macht, riskiert harte Strafen
Und das vergessen gerade viele. Wir haben die Straftat des Subventionsbetruges, den man im Zweifel schnell erfüllt, wenn man solche Anträge nicht korrekt ausfüllt. Und ich denke, dass es den einen oder anderen hier erwischen wird.
Beispielsweise: Wenn ich jetzt Zuschüsse von Bund oder Land bekomme, muss ich angeben, dass ich tatsächlich durch Corona in existenzielle Liquiditätsprobleme geraten bin. Ob die aber wirklich immer existenziell sind, wage ich im Moment zu bezweifeln. Ich möchte einfach dazu aufrufen, dass jeder mit sich selbst ins Gericht geht und überlegt, ob er das wirklich beantragen muss.
Bin ich wirklich anspruchsberechtigt und habe ich (die Förderung) nicht gerade beantragt, weil es so leicht ist und sich jeder über Zuschüsse freut, die ihm eigentlich nicht zustehen und die ihm irgendwann mal auf die Füße fallen.
Glaubst du, dass der Staat irgendwann sagt, also Leute wir haben euch was gegeben und jetzt schauen wir mal, ob sich das jemand geholt hat, dem das gar nicht zusteht?
Ganz sicher können wir davon ausgehen, dass das passieren wird. Denn wie gesagt, wir haben die Erfahrung gemacht in 2008 / 2009, nach der Finanzkrise. Damals gab es auch rund 150.000 Unternehmen, die Kurzarbeitsgeld beantragt haben. Und damals wurde das durchaus nachhaltig überprüft, im Nachhinein. Um auch die Relation zu zeigen: Ich habe gerade gesagt, dass in der Finanzkrise 150.000 Unternehmen in Deutschland Kurzarbeitergeld beantragt haben, jetzt sind es schon knapp 600.000 Unternehmen. Deswegen sage ich: Der Staat wird an seine Leistungsgrenze geraten und deswegen auch gehalten sein im Nachhinein das genau zu überprüfen.
Bei Subventionsbetrug reicht bereits ein leichtfertiges Handeln aus. Ein falsches Ausfüllen von Antragsformularen kann da schon ausreichen, den Tatbestand zu erfüllen. Insofern sage ich einfach jedem, der da gerade agiert, da muss man schon sorgfältig vorgehen.
Anträge müssen also vernünftig und korrekt ausfüllt werden. Wer sich nicht sicher ist, sollte sich einen Berater dazuholen, der ein wenig Erfahrung damit hat, damit man da auf der sicheren Seite ist. Und die Arbeitszeiten über ein Arbeitszeitkonto dokumentieren, das ist jetzt immer wichtig.
Wo siehst du denn die größten Gefahren, wenn man jetzt einfach mal den Umsatz reduziert und weniger Personalkosten hat, aber schlägt das irgendwann wieder zurück? Oder glaubst du, dass viele auch jetzt sehr blauäugig in die nächsten 6, 8, 12 Monate bei dem Thema gehen?
Ehrlich gesagt: Das ist das, was mir im Moment die größten Sorgen bereitet, wenn ich das alles so betrachte, was um uns herum so passiert. Weil ich fest davon überzeugt bin, dass wir die Krise erst nach der Krise erleben werden, also im wirtschaftlichen Kontext. Denn, was ja im Moment passiert ist, dass wir eine große Schuldenblase mit vielen Unternehmen aufbauen. Wir haben die Situationen, dass jetzt viele Unternehmen / Praxen schnell Kredite von ihrer Bank bekommen. Die werden in Anspruch genommen.
Wir erleben, dass Mietzahlungen gestundet werden. Das Mietrecht wurde ja recht schnell geändert. Die wichtigste Änderung darin war eben, wenn man jetzt im April, Mai, Juni keine Miete zahlt, dass das Mietverhältnis nicht gekündigt werden kann. Nur ist die Miete dadurch nicht entfallen, sie ist nur gestundet. Die muss man bis spätestens 2022 zurückgezahlt haben. Auch die Kredite, die man relativ schnell und einfach bei der Bank bekommt, die haben auch die Eigenart – die muss ich irgendwann zurückzahlen!
Das bedeutet natürlich, dass die Liquidität gesichert wird, in dem man Steuern und aktuelle Mietzahlungen stundet und sich Kredite bei der Bank holt. Nur irgendwann werden wir das alles belegen müssen. Und das ist das, was mir gerade Sorge bereitet, weil ich sehe, es werden Schulden on top aufgenommen. Jetzt sind wir natürlich alle in Bereichen tätig, wo wir vor allem unsere Zeit verkaufen.
Aber wie sieht das in der Zahnarztpraxis aus?
Nehmen wir als Beispiel einen Prophylaxestuhl. Wenn da in 8 Stunden, 5 bis 6 Patienten durchgeschleust werden, dann kann ich das ja nicht beliebig nach oben ausweiten.
Ich kann ja nicht, wenn die Corona-Krise vorbei ist und der Patientenzulauf wieder normale Verhältnisse annimmt, sagen: “Ich mache jetzt 50 % mehr, um den Ausfall aus dem ersten Halbjahr aufzufangen”. Das funktioniert nicht. Ich muss im Grunde ja irgendwann das Geld doppelt verdienen. Und das ist ein Problem der Kurzarbeit, das ich im Moment sehe. Und da glaube ich tatsächlich, dass viele da kurzfristig agiert haben.
Warum? Weil natürlich das Problem bei der Kurzarbeit ist, dass ich ein Teil meiner Kosten bei der Kurzarbeit reduziere. Einen Teil meiner Personalkosten kann ich jetzt auf den Staat abwälzen. Das funktioniert auch. Aber: Wenn ich meine Mitarbeiter nach Hause – in Kurzarbeit – schicke, nehme ich mir auch einen Teil meiner Produktivität. Und die Umsatzeinbußen, die ich dadurch habe, sind viel größer als die Kosteneinsparung.
Deswegen sage ich jedem: Wenn ich Kurzarbeit habe, muss ich das durch Liquidität auch ein Stück weit auffangen können, weil ich auf jeden Fall einen Umsatz- und einen Gewinneinbruch zu befürchten habe. Das liegt auf der Hand.
Welche Alternativen gibt es für Praxen, die noch nicht auf Kurzarbeit umgestellt haben? Und, was würdest du den Praxen raten, die Kurzarbeit schon beantragt haben, aber denen mögliche Folgen nicht klar waren?
Das ist jetzt natürlich eine spannende Frage. Es ist in jedem Fall sinnvoll, die Kurzarbeit anzumelden. Das Verfahren der Kurzarbeit ist zweistufig. Ich muss erst einmal beim Arbeitsamt anmelden, dass ich wahrscheinlich demnächst Kurzarbeit in Anspruch nehmen möchte. Anmelden schadet auf keinen Fall. Ob man sie dann in Anspruch nimmt, ist eine andere Frage. Auf jeden Fall würde ich jetzt jeder Praxis empfehlen, sie in Erwägung zu ziehen.
Aber gleichzeitig würde ich natürlich dafür sorgen, dass ich mein Praxisbetrieb so normal wie möglich aufrechterhalten kann. Ich glaube aber tatsächlich, dass es dringend erforderlich ist, wieder ein Stück weit zur Normalität zurückkommen. Die Frage ist ja: Welche Praxis kann jetzt Umsatzeinbußen von 60 -70 % oder mehr in den nächsten Wochen und Monaten auffangen?
Die Gespräche, die ich im Moment führe, zeigen mir jedenfalls, dass viele das nicht können. Und wenn das so ist, dann muss ich schauen, dass ich halbwegs zur Normalität zurückkehre.
Wie gehst du denn mit deinen Mandanten / Praxen um, die sagen: “Nein, ich möchte das nicht und ich möchte – trotz der wirtschaftlichen Unsicherheit ohne Personalreduktion auszukommen”?
Hier ist ganz wichtig, dass ich jetzt mit meinem Team ins Gespräch komme und da ganz offen kommuniziere. Da muss ich mit meinem Team über kreative Lösungsmodelle nachdenken. Also beispielsweise, wo gibt es noch Resturlaub. Wie nehme ich den Urlaub in diesem Jahr? Kann ich den Mitarbeitern an der einen oder anderen Stelle entgegenkommen? Beispielsweise: Wenn jetzt einer eine Woche Urlaub nimmt, bekommt eine weitere Woche noch on Top? Einfach einige Dinge jetzt verschieben, vielleicht den Urlaub in die Zeit jetzt legen, statt in den Sommer.
Da muss man einfach über alles sprechen, um dieses Jahr wirtschaftlich zu überleben. Aber das ist ja die Herausforderung, vor der wir alle gemeinsam stehen. Und da muss man die offene Kommunikation mit dem Team suchen, damit alle an einem Strang ziehen können.
Und jetzt gilt es: Wenn ich bislang keine Meetingkultur in meinem Betrieb hatte, dann sollte man jetzt schnell eine etablieren und eng zusammenrücken, um gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Anders wird es gar nicht gehen.
Haben also Praxen, die nach außen zeigen, wie cool sie mit ihrem Team umgehen und was für eine Kultur sie haben, die Chance, auch auf Personalseite zu den Gewinnern gehören können?
Na ganz sicher. Ich höre doch jetzt nicht auf zu kommunizieren, nur weil wir eine Krise haben. Das gilt doch sowohl intern wie extern. Ich glaube, dass es immer wichtig ist Marketing zu machen, egal ob es mir wirtschaftlich gut oder schlecht geht. Wenn es mir gut geht, höre ich damit ja auch nicht auf. Was die Personalakquise angeht: Natürlich muss ich, wenn ich eine Arbeitgebermarke sein will, das auch 365 Tage im Jahr pflegen. Da kann ich nicht in jetzigen Zeiten damit aufhören. Das sehe ich genauso wie du.
Das hat auch was mit Kommunikation zu tun. Ich glaube, in der ersten Panik der Corona-Zeit, ist da kommunikativ etwas schiefgelaufen. Das hat auch damit zu tun, dass ich glaube, dass Patienten bei der Frage verunsichert wurden: “Wie gefährlich ist es jetzt eigentlich, zum Zahnarzt zu gehen?” Und ich glaube, dass so manches in der Außendarstellung nicht so gut gemacht wurde. Ich habe vorhin schon die Dentalforen in den Social Media Kanälen angesprochen, die waren doch sehr von Panik getragen. Das habe ich manchmal mit Sorge gesehen.
Der Präsident der DGZMK, Prof. Frankenberg, hat heute ein interessantes Schreiben veröffentlicht, in dem er einfach darauf hingewiesen hat, dass die Zahnmedizin ja systemrelevant sei und was man eigentlich für ein Signal aussendet, wenn jetzt zahnärztliche Behandlungen so beliebig verschiebbar seien plötzlich. Also sehr lesenswert, was er geschrieben hat.
(Hier geht es zum Artikel: DGZMK > „Präsident Professor Frankenberger zur Coronakrise“)
Also ich glaube, es ist jetzt auch ganz wichtig, bei den Patienten wieder für Sicherheit zu sorgen. Einfach wieder darstellen: Es ist sicher, zum Zahnarzt zu gehen! Zahnärzte behandeln schon seit Jahren wirklich nach strengsten Hygienevorschriften. Und wer einmal eine Hygienebegehung in der Praxis erlebt hat, der weiß ja, wovon ich rede. Da sind die Zahnärzte ja jahrelang mit gequält worden.
Jetzt kann man das doch umdrehen, das Thema nach vorne stellen und den Patienten sagen, dass man sich keine Sorgen machen muss, wenn man zu uns kommt. Ihr seid sicher, da wir das sehr seriös machen und nach strengsten Hygienevorschriften. Jede Zahnarzt-Praxis hält sich auch an diese Vorschriften. Und ich glaube, da kann man die Kommunikation noch ein bisschen umkehren. Und das versuche ich gerade so ein bisschen mitzugeben, von wegen “jetzt kommt mal alle wieder ein bisschen zur Ruhe”.
Das ist ganz wichtig, vor allem, um auch wieder zu ordentlichen Umsätzen zurückkehren zu können.
Jetzt kommen wir zum Thema “Wann darf der Zahnarzt noch behandeln?”. Was sind denn medizinisch-notwendige Behandlungen? Wie erklärst Du Zahnärztinnen und Zahnärzten aus verschiedenen Bundesländern, welche Behandlung medizinisch-notwendig ist?
Was medizinisch dringend erforderlich ist, entscheidet der Behandler. Wir sind uns wahrscheinlich einig, dass kosmetische Behandlungen außen vor sind. Wenn ich die vornehmen möchte, dann sollte ich mich hier sehr gut absichern. Medizinisch dringend erforderlich ist eine Frage, die der Zahnarzt zu beantworten hat. Da kann ich als Jurist hinterher nur Auslegungshilfen geben, wenn es dann in den Streit geht. Ich wage es mal behaupten, in Wirklichkeit wird darum nie jemand streiten.
Was ist jetzt medizinisch-dringend erforderlich? Da ist doch auch die Frage: “Wie definiert sich die Zahnmedizin selbst?”. Ich habe schon das Schreiben von Prof. Frankenberger zitiert, der ja ausführt, dass eine gesunde Mundhöhle die beste Immunbarriere ist. Also, wenn ich das jetzt mal mit einbeziehe, dann würde ich sagen: Was ist denn derzeit dringender erforderlich, als für eine gesunde Mundhöhle zu sorgen, gerade in diesen Zeiten.
Und deshalb sage ich, ist es wichtig, was die Zahnärzte selbst nach außen kommunizieren. Wenn die Zahnärzteschaft jetzt natürlich selbst anfängt, zu diskutieren, welche Leistung darunter fällt und welche nicht, dann machen sie uns den juristischen Streit hinterher umso schwerer.
Also, da sind wir alle aufgerufen, nach außen zu kommunizieren: Zahnmedizinische Behandlungen sind nicht beliebig verschiebbar, sie sind wichtig in allen Bereichen. Ich bin ja nicht der Mediziner, ich beschäftige mich nur seit Jahren mit Zahnärzten. Und ich kenne auch die Studien, die sagen, eine Parodontitis führt zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Ähnlichem. Also würde ich sagen: Die Parodontologie kann ich jetzt nicht verschieben. Das ist eine medizinisch-notwendige Behandlung. Das kann ich sehr gut begründen und deswegen sage ich mal, kann man das aus meiner Sicht sehr weit auslegen.
Gehen Patienten - juristisch gesehen - auf eigenes Risiko in die Praxis. Kann jemand nach Hause gehen und 2 Tage später sagen: Ich habe Symptome, die hatte ich vorher nicht, die Zahnarztpraxis ist schuld?
Nein. Erstens wird die Nachweisbarkeit schwierig, wo er sich denn infiziert hat. Das ist mal das Eine. Und das Andere ist: Natürlich ist jetzt bei der Aufnahme des Patienten ja abzuklären, ob er Symptome hat. Das ist aber aktuell in jeder Praxis eine hohe Selbstverständlichkeit, das bei der Patientenaufnahme abzuklären. Das ist ja keine Besonderheit, die man berücksichtigen muss. Von daher ist der Zahnarzt da ganz gut aufgestellt.
Wir haben für unsere Mandanten extra einen Anamnesebogen entworfen, auf dem wir noch mal bestimmte Fragen stellen, wie z. B. ob er sich in Risikogebieten aufgehalten hat. Fragen, die ganz konkret auf die aktuelle Situation abgestimmt sind. So dokumentiere ich, dass wir da als Praxis extra darauf geachtet haben. Und wenn ich das mache, dann bin ich auf der sicheren Seite.
Schutzausrüstung muss vorhanden sein
Was natürlich gesichert sein muss, ist die ausreichende Ausstattung der Praxis mit Schutzmaterialien. Natürlich habe ich auch vernommen, dass es in der einen oder anderen Praxis ein Problem ist. Aber ich glaube auch da ist Kommunikation wichtig. Da sehe ich, dass die Praxen sich untereinander helfen. Es gibt auch mittlerweile Tauschforen auf Facebook. Da hilft man sich gegenseitig. Das ist jetzt natürlich gefragt. Ich bin ja nicht immer auf den Seiten der Standesvertretung. Aber ich habe wirklich das Gefühl in dieser Situation, dass die Zahnärztekammern sehr besonnen reagiert haben im Sinne der Zahnärzte.
Eine Frage aus dem Publikum: Kann / darf die KZV Leistungen, die sie für nicht notwendig hält, streichen oder zurückfordern?
Also, die KZVen können sicher immer zurückfordern, im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung. Aber die Frage hier bezieht sich wahrscheinlich eher auf die Frage: “Wenn wir jetzt in der Corona-Zeit Leistungen erbringen und die KZV dann sagt, das war nicht dringend erforderlich”. Darum wird es gehen. Und ich glaube nicht, dass das passieren wird. Und wie gesagt, die Diskussion darüber, was dringend erforderlich ist oder nicht, werden wir führen.
Also dieses Verfahren führe ich gerne. Ich habe gerade schon ein paar Beispiele genannt, die immer dringend erforderlich sind und dann werde ich auch im Zweifel einen Richter davon überzeugen können.
Eine Frage aus dem Publikum: Wie sieht die rechtliche Seite aus, wenn ich meinen Mitarbeitern zum Beispiel keine FFP3 Masken anbieten kann?
Das könnte natürlich sein, weil ich als Arbeitgeber auch die Fürsorgepflicht habe meinen Mitarbeitern gegenüber. Wenn ich glaube, dass für die Behandlung eine FFP3-Maske nötig ist, dann kann das ein Problem werden, allerdings sage ich jetzt einfach mal, sehe ich das Problem nicht. Ich gebe zu, das ist nicht repräsentativ meine Erfahrung, es ist nur meine gemachte Erfahrung.
Bei allen Praxen, mit denen ich spreche, ist die Zahl null. Jetzt weiß ich nicht, ob ich daraus irgendwelche Rückschlüsse auf die Infektionsgefahr ziehen kann. Ich kenne 2 Zahnärzte, die infiziert waren, die auch beide krank waren. Die waren aber beide vorher im Ski-Urlaub.
Wechseln wir das Thema: Perspektive Videosprechstunde: Wie verändert sich aktuell die Kommunikation zwischen Praxen und Patienten - mehr Akzeptanz für die Online-Kommunikation, Webinare, Video-Meetings?
Also jede Krise hat ja immer ihre Chancen. Das ist sehr abgegriffen, dieser Satz, aber er stimmt ja verdammt noch mal. Ich kann dir meine ganz persönliche Erfahrung schildern.
Bei uns in der Kanzlei wurde die Videoberatung schon in 2016 eingeführt. Die Akzeptanz ist so langsam gestiegen und es war so eine bestimmte Art von Praxisinhaber, ich sage mal, die unternehmerisch orientierten sagten, ich habe wenig Zeit, es muss effizient sein, die das in den letzten Jahren auch wirklich extrem gerne genutzt haben.
Die Nutzungsrate ist kontinuierlich nach oben gegangen über die Jahre. In den letzten 4 Wochen ist das noch einmal exorbitant gestiegen. Ich habe in den letzten 4 Wochen kein persönliches Gespräch geführt, nur noch über Zoom, Go-to-meeting, Teams und die ganzen Kanäle, die es da gibt.
Ich freue mich sehr darüber und ich habe mich entschieden, nach der Corona-Krise das weitgehend aufrechtzuerhalten. Ich merke – und meine Mandanten merken das auch – es ist viel effizienter. Man spart sich Reisekosten, Reisezeiten und dieser obligatorische Smalltalk vor und nach einer Beratung fällt einfach weg. Man konzentriert sich auf das Wesentliche. Ich finde das sehr angenehm und das macht es für viele sehr kosteneffizienter.
Videokonferenzen werden überall ja im Moment in den Homeoffices zum Alltag. Zoom kannte vor 4 Wochen ja kaum jemand und plötzlich zoomen alle. Zoom wird das neue Google. Daran sieht man, wie das schon so eine breite Masse erreicht hat. Die Menschen, die heute in ihren Büros zoomen, warum sollten die das später nicht auch mit ihrem Zahnarzt machen wollen. Ich glaube, dass wir das Zahnarzt-Patient-Verhältnis auch verändern können.
Wenn ich als Zahnarzt dafür bereit bin. Ich glaube, dass wir das annehmen müssen. Wir haben uns in der Unternehmensberatung in den letzten Wochen extreme Gedanken dazu gemacht. Aus dem Interesse heraus, für unsere Mandanten Lösungen zu etablieren, wo wir sagen, wir möchten die Praxen betriebswirtschaftlich weitgehend stabil halten. Und dafür müssen wir natürlich Lösungen im Alltag haben.
Videosprechstunden im Corona-Boom
Jetzt gibt es zum Thema Videosprechstunde schon Alternativen als Lösungsansätze, die sind aber häufig verbunden mit anderen Dienstleistungen. Ganz viele Unternehmen bieten die Videosprechstunde an, nutzen das in erster Linie aber dafür, um Kunden an sich zu binden. Das Blöde ist: Wenn man das Unternehmen verlassen will, dann ist alles weg.
Deshalb würde ich eine Stand-alone-Lösung etablieren, um mich nicht in irgendeine Abhängigkeit zu begeben. Für unsere Mandanten haben wir deshalb erst mal im kleinen Kreis gearbeitet, mit unseren Mandanten. Wir wollen natürlich berücksichtigen, welche Prozessschritte wir denn in einer Zahnarzt-Praxis eigentlich haben.
Und ich glaube, das Potenzial dafür ist groß. Was mir jetzt z. B. gelingen kann – gerade in der jetzigen Zeit – ist auch die Patientenkontakte zu reduzieren. Ein Anamnesebogen muss ja nicht mehr in der Praxis ausgefüllt werden. Das kann der Patient auch von zu Hause machen. Wenn Röntgenbilder vom Vorbehandler vorliegen, dann kann er mir diese auch schon vorher schicken die muss man mir die nicht vorbeibringen. Dann kann ich ein erstes Beratungsgespräch auch schon per Videosprechstunde anbieten. Einen Heil- und Kostenplan muss ich nicht in der Praxis besprechen. Ein Röntgenbild muss ich nicht diagnostizieren, wenn der Patienten noch in der Praxis ist … und so weiter.
Wo siehst Du das größte Potenzial der Videosprechstunde für die Zahnarzt-Praxis?
Die Behandlung selbst muss auf dem Stuhl stattfinden, das ist mir schon klar. Beratung, Besprechung mit Patienten, Diagnostik, Nachsorge, da kann viel in eine Videosprechstunde übertragen werden. Wir haben das erst mal entwickelt, in dem Gedanken, den Patientenkontakt so weit wie möglich zu reduzieren.
Weil wir auch die folgende Situation haben: Wir können die Behandlungsstühle durchbestellen, aber wir müssen ja jetzt auch schauen, dass wir im Wartezimmer keinen nahen Patientenkontakt haben. Also einfach für mehr Hygiene sorgen an dieser Stelle. Nach Corona kann das unglaublich viel helfen, denke ich, viel Effizienz zu gewinnen und auch Umsatzpotenziale auszuschöpfen.
Und Achtung, ich sage jetzt nicht, dass das für jeden unbedingt der richtige Weg ist. Wenn jetzt jemand für sich sagt, das ist überhaupt nicht meins, ich habe ethische Bedenken oder so, ist alles gut.
Die Voraussetzungen sind gut, die Akzeptanz steigt, die rechtlichen Grundlagen sind geschaffen. Was muss ein System für die Videosprechstunde leisten?
Das Fernbehandlungsverbot ist gefallen. Es gab im Heilmittelwerbegesetz auch ein Verbot, für die Fernbehandlung zu werben. Das hat der Gesetzgeber im letzten Jahr gestrichen. Insofern ist es nach den gesetzlichen Vorgaben so, dass ich Fernbehandlung anbieten und auch dafür werben kann. Das Problem ist nur, dass es in der Zahnmedizin noch nicht umgesetzt wurde. Im ärztlichen Bereich ist das flächendeckend schon umgesetzt. Die KVen haben überall Maßnahmen erstellt, in welcher Form Fernbehandlungen angeboten werden können und welche Dienstanbieter dafür zertifiziert sind.
Dort ist geregelt, über welches Videotool ich die Videosprechstunde anbieten und wie ich es abrechnen kann. Bei den Ärzten gibt es auch mittlerweile extra Abrechnungspositionen. Bei den Zahnärzten ist das flächendeckend bislang nicht passiert. Wahrscheinlich aus dem Gedanken heraus, dass viele Zahnärzte gedacht haben, das brauche ich nicht. Jetzt haben wir eine Situation, wo wir kreativ sein müssen und das auch für die Zahnarztpraxen einsetzen müssen.
Wir setzen in dem Zusammenhang nicht auf Zoom (grinst). Wir sind in ein Gespräch gegangen mit einem Anbieter, der von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für die Humanmedizin bereits für die Videosprechstunde zertifiziert und zugelassen ist.
Es gibt Informationen zur Videosprechstunde auf der Seite der KBV. Da findet man diese Dienstanbieter und wir haben mit einem Anbieter eine entsprechende Kooperation geschlossen, die wir dann auch den Zahnarztpraxen anbieten können. Einfach um dem Behandler, der damit anfangen möchte, sagen zu können: Sie nutzen gerade das sicherste und seriöseste Tool, das es auf dem Markt aktuell gibt. Von der KBV zertifiziert und für die ärztliche Behandlung zugelassen. Dann ist es für Zahnärzte erst recht nutzbar.
Wir stellen nicht nur eine Plattform zur Verfügung und sagen, macht mal. Von uns gibt es ein Gesamtpaket. Das hat den Vorteil, dass wir rechtliche Beratung und Unternehmensberatung zusammenbringen. Ich habe schon gesagt, dass wir die entsprechenden Prozessschritte zusammen mit den Zahnarztpraxen erarbeitet haben. Es geht schon mit der Frage los “Was ist mit der Chipkarte, die kann ich jetzt ja nicht einlesen?” Auch die Frage, was ich abrechnen kann. Da gibt es dann entsprechende Leitfragen und wir erhalten Empfehlungen, wie man das macht.
Wir freuen uns, wenn wir unseren Praxen mit Euch zusammen eine Lösung für die Videosprechstunde anbieten können. Zum Schluss: Wie sehen sie aus, Deine ganz persönlichen Tipps, Ideen, Gedanken für die Zahnärztinnen und Zahnärzte?
Das Wichtige ist jetzt, unternehmerisch zu agieren, mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Gespräch zu bleiben, möglichst schnell wieder zur Normalität kommen. Damit wir alle zur Normalität kommen können, müssen wir die Bedeutung der Zahnmedizin nach außen kommunizieren.
Nicht darüber diskutieren, welche Behandlung kann ich jetzt verschieben, sondern klarmachen: Die zahnmedizinische Behandlung ist wichtig und zwar für den Gesamtorganismus Mensch.
Außenkommunikation ist jetzt wichtig, also auf der Facebook-Seite, der Webseite. Den Patienten sagen, wir sind da und haben höchste Hygienemaßnahmen. Sie müssen sich keine Gedanken als Patient bei uns machen, wir haben höchste Sicherheitsmaßnahmen.
Ich glaube, das müssen wir tun und einfach kreativ sein, auch gemeinsam mit den Mitarbeitern kreativ sein. Solche Dinge, wie z. B. jetzt Videosprechstunden implementieren und da einfach unternehmerisch ein bisschen erfinderisch werden oder bleiben.
Die Business Monkeys sagen “#machenismächtiger”. Jetzt ist wirklich wichtig, im Handeln zu bleiben und die Dinge umzusetzen. Und im Zweifel einfach jemanden wie dich oder mich zu fragen und sich ein bisschen Input von Außen zu holen. Ich glaube, das ist ganz wichtig. Das machen wir in unserem Unternehmen übrigens auch.
Weiterführende Informationen zu unseren Themen von Lyck + Pätzold - den Medizinanwälten
Zu den aktuellen Themen findet Ihr im Blog von Jens und seinem Team noch weitere Informationen, hier die Links für Euch:
➡️ Vermeintlich schnelles Kurzarbeitergeld oder Subventionsbetrug?
webDOtalk Vorschau
Damit erst einmal an monkeymächtiges DANKESCHÖN an Jens und natürlich an alle Gäste unserer Premiere. Die kommenden webDOtalk-Runden sind in Planung und Einzelheiten gibt es in Kürze. Wir freuen uns, wenn Ihr dabei seid. Wenn Ihr mögt, dann folgt doch unserer webDOtalk-Facebookseite. Hier stellen wir alle neuen Themen direkt und exklusiv ein.
